Reisebericht Skandinavien
Kaum unterwegs schon von Schmerzen geplagt
Ende Juli packten wir unseren VW-Bus und verabschiedeten uns für sechs Wochen. Die Reise führte uns via Dänemark und Schweden rasch nach Norwegen, wo wir in der Nähe von Oslo die ersten Klettertage verbrachten. Wir waren beide etwas lädiert. Ich hatte mich ein paar Wochen vor der Abreise am Finger verletzt und Marc klagte seit dem dritten Tag der Reise über Knieschmerzen. Er sprang an der Westküste Schwedens von einem Stein und landete unglücklich.
Trondheim und Flatanger
Kurze Zeit später waren wir schon in Trondheim und kletterten im Klettergarten "Hell". Beide etwas genervt von unseren Handicaps, die uns ziemlich einschränkten, entschieden wir uns, doch noch einen Abstecher nach Flatanger zu machen. Dieses Weltklasse-Klettergebiet wollten wir zumindest gesehen haben. Es war dann aber rasch klar, dass wir unseren Fokus auf das Reisen setzen würden. Wir fühlten uns wegen unseren Gebrechen zu eingeschränkt beim Klettern.
Rv 17, Arctic Circle, Narvik
Wir begaben uns via die RV 17-Route in Richtung Norden. Diese bekannte Küstenstrasse wird immer wieder durch kurze Fährstrecken unterbrochen und bietet daher viel Abwechslung. Leider sahen wir von der Gegend aber nur wenig, da das Wetter sehr schlecht war und die Wolken tief hingen. Deshalb kehrten wir zurück auf die E39, um etwas rascher voranzukommen. Den ersten August verbrachten wir bei 5 Grad am Arctic Circle, während zu Hause in der Schweiz am Nationalfeiertag eine brütende Hitze und Trockenheit herrschte. Unvorstellbar für uns, während wir im Bus sassen und es draussen in Strömen regnete. Die Wettervorhersagen waren für die nächsten sieben Tage kaum besser. Es sollte nur kurze Aufhellungen geben. Daher strichen wir auch erstmal den Abstecher auf die Lofoten und die Besteigung des Stetin in Narvik mussten wir auch auslassen. Das Wetter war zu schlecht und Marc's Knie ohnehin zu instabil, um einen derart langen Abstieg vom Gipfel auszuhalten.
Nordkapp
Also versuchten wir dem Schlechtwetter zu entkommen und nutzten die Regentage zum Fahren. Wir kamen gut voran. Einiges der Landschaft blieb uns jedoch wegen des verhangenen Wetters, verborgen. Doch selbst von dem, was wir zu sehen bekamen, waren wir randvoll mit Eindrücken. Manchmal kam es uns vor, als könnten wir kaum mehr etwas aufnehmen.
In Alta, ca. 3h vor dem Nordkap, erwischten wir einen einzigen Sonnentag. Also mussten wir alles in diesen Tag hineinpacken. Klettern am Morgen, nachmittags die Sonne am Meer geniessen und abends noch ans Nordkap fahren. Entgegen vielen Erzählungen, wonach man das Nordkap auch gut weglassen könne, weil es nur noch eine langweilige Strecke sei bis an den nördlichsten Punkt, waren wir beide begeistert von der Wildnis, der rauen Landschaft, den Farben und der kaum besiedelten Gegend. Vermutlich hatten wir auch den perfekten Moment auf der Strasse erwischt. Kaum Verkehr, keine Reisecars. Um 2115 Uhr kamen wir an. Die Stimmung war grandios. Ein wunderschöner "Sonnenuntergang", der nie endete. Wir genossen den Ausblick ins Nichts und liessen uns reinziehen in das Nordkap-Feeling. Als zu Mitternacht die Touristencars ankamen, machten wir uns aus dem Staub und fanden einige Kilometer vor dem Nordkap ein wunderbarer Schlafplatz mit Ausblick auf das Meer.
Weil wir wussten, dass das Wetter umschlagen wird, haben wir schon vorsorglich die Wetterhaube über dem Dachzelt montiert. Und der Wetterumschwung liess auch nicht lange auf sich warten. Um 0500 Uhr morgens windete es derart stark, dass wir das Dachzelt schliessen, und entsprechend bei Wind und Regen die Wetterhaube wieder abnehmen mussten. Irgendwie versuchten wir unsere Regenkleider etwas abtropfen zu lassen und verkrochen uns wieder im Bus. Es wurde ein langer Tag. Tee trinken, lesen, schreiben und dem Regen zuhören. Zur Abwechslung fuhren wir ein paar Kilometer weiter und richteten uns an einem schönen Platz wieder ein. Dabei nutzten wir die Sonnenstore als Regenschutz und kochten uns dann eine ausgiebige Mahlzeit mit einem grossen Stück Rindfleisch halbwegs im Trockenen unter der Sonnenstore.
Schweden statt Lofoten
Eigentlich hatten wir gehofft, die Lofoten auf dem Rückweg noch zu erkunden. Leider war das Wetter weiterhin schlecht angesagt und so entschieden wir uns, ein Stück durch Finnland und Schweden zu reisen. Tatsächlich war es in Schweden deutlich freundlicher und wärmer. In der Nähe von Lulea fanden wir ein nettes kleines Sportklettergebiet. Während mein Finger sich wieder deutlich besser anfühlte, hatte ich plötzlich Schmerzen in der Mittelhand. Ich ignorierte es aber so gut als möglich und kletterte meine so ersehnten Klettermeter. Während ich den Schmerz dann jeweils erst in der darauffolgenden Nacht büssen musste, litt Marc schon akut bei jeder angewinkelten Position, die er einnahm. Wir wussten, dass irgendetwas mit seinem Knie gar nicht stimmte. Marc wollte aber noch abwarten und erst in der Schweiz einen Arzt aufsuchen. Denn, die Reise abzubrechen, war für ihn keine Option.
Südnorwegen
Nachdem wir in Finnland und Schweden das Gefühl hatten, dass wir vor allem Wälder und Seen sahen, sehnten wir uns nach der abwechslungsreichen und rauen Landschaft von Norwegen. Also fuhren wir zurück nach Trondheim. Dort hatten wir drei Tage wunderbar sonniges und warmes Wetter. Wir kletterten noch einmal im Klettergarten Hell und sahen uns die schöne Stadt an. Obwohl wir beide keine Stadtmenschen sind, hatten wir das Gefühl, dass wir uns zusammenreissen und neben Göteburg, einer schwedischen Stadt, auch eine Stadt in Norwegen anschauen sollten. Und wir wurden nicht enttäuscht. Wir schlenderten an einem Sonntagabend durch die Stadt. Es war wenig los, entsprechend hatte es auch keinen Verkehr. Es fühlte sich alles sehr entspannt und stressless an. Ob Trondheim einfach so ist, oder ob es tatsächlich der Zeitpunkt war, wissen wir natürlich nicht. Zumal uns allgemein in Norwegen alles viel gelassener und entspannter vorkam als zu Hause. Besonders imponiert hat uns die mächtige Kathedrale. Wir konnten sie zwar nicht von innnen anschauen, aber allein die Ansicht von aussen, machte uns sprachlos. Mächtig und fast majestätisch steht sie dort mit ihren vielen kleinen Verzierungen und den Skulpturen aus der Bibel. Unvorstellbar, wie ein solches Gebilde vor x Jahren gebaut werden konnte. Es blieb uns nur, zu staunen. Unweit der Kathedrale fanden wir die typischen farbigen Häuser dem Fluss entlang, in welchen es ein paar Bars gab. An deren Besuchern war uns bald klar, dass wir uns in einer Studentenstadt befinden müssen. Wie immer, haben wir uns nicht an einem Reiseführer orientiert, sondern gingen einfach der Nase nach. Diese führte uns schliesslich zum Hafen. Dort tranken wir das teuerste Bier ever und dann war es Zeit, ausserhalb der Stadt einen Schlafplatz zu suchen.
Es war der 14. August, Halbzeit unserer Reise und wir hatten zu dem Zeitpunkt schon über 6000km zurückgelegt. Wir freuten uns daher sehr, die nächsten drei Wochen mit hoffentlich deutlich weniger Fahrstunden, den Süden von Norwegen zu entdecken.
Als erstes fuhren wir nach Kristiansund. Wir wollten noch einmal an die Küste und vor allem ans offene Meer, um zu fischen. Zudem wussten wir, dass dort noch ein Klettergebiet direkt am Meer liegt. Und so verbrachten wir meinen 32. Geburtstag bei Sonne und Klettermeter direkt am Meer.
Am Tag darauf kauften wir für Marc Wanderstöcke. Er hoffte, damit wenigstens eine Wanderung machen zu können und beim Abwärtsgehen das Knie damit zu entlasten.
Stryn und Bergen
Von Kristiansund fuhren wir weiter über die bekannte North Atlantic Road nach Molde und weiter in Richtung Stryn. Auf dem Weg bemerkten wir, dass wir zufällig an den bekannten Geirangerfjord herangefahren sind. Das Wetter war jedoch wieder sehr verhangen. Auf dem Campingplatz in Stryn sagte uns die Inhaberin, sie hätten bisher im August einen einzigen Sonnentag gehabt und im Juli nur vier. Es sei seit 100 Jahren der regenreichste Sommer gewesen.
Das war eigentlich nicht das, was wir hören wollten. Vor allem nicht, weil wir das Gefühl hatten, dass während wir im Norden oben waren, im südlichen Teil Norwegens schönes Wetter herrschte. Zumindest hatte das der Wetterbericht so verlauten lassen. Wir wussten also nicht so recht, ob es eine schlechte Illusion war, zu glauben, dass wir nun in einer wetterstabileren Gegen seien.
Zumindest die nächsten beiden Tage, schien mehrheitlich die Sonne. Wir kletterten im Klettergarten Stryn. Ein sehr abwechslungsreicher Fels direkt am Fjord. Wir trafen die Österreicher wieder, die wir schon an meinem Geburtstag in Kristiansund beim Klettern getroffen hatten. Es war cool, teilweise die gleichen Kletterrouten zu klettern, sich gegenseitig anzufeuern und über das Reisen auszutauschen. Für Marc waren es aber klettermässig bittere Tage. Nach zwei, höchstens drei Routen, musste er jeweils aufgeben. Die Schmerzen gingen trotz Schmerzmittel nur leicht zurück und die Reizungen beim Klettern waren vermutlich Gift. Umso cooler, wenn man zumindest coole Sozialkontakte knüpfen kann. Alle verstanden seinen Ärger und die Enttäuschung auf einer solchen Reise, derart eingeschränkt zu sein. Daher versuchte er sein Glück umso öfters beim Fischen und liess sich von den einheimischen beraten. Er wollte nämlich eine „Makrele“ fangen. Zwei Mal hatte er eine an der Angel gehabt, sogar mit seinen Spinnern von zu Hause. Leider sind sie ihm aber entgangen. Daher kaufte er die angeblich besten Spinner für Makrelen. Aber es biss nie mehr eine an. Unsere Enttäuschung war gross.
Dafür entdeckte Marc am Morgen, bevor wir nach Bergen weiterreisen wollten, wie Delfine den Fjord hineinschwammen. Sie sprangen quasi vor unserem Schlafplatz durch das Meer. Wir trauten unseren Augen nicht. „Aber wenn es hier Delfine gibt, muss es doch auch Makrelen geben“ meinte Marc. Doch wir fingen auch an diesem Tag keine mehr. Und zur Abwechslung, regnete es mal wieder.
In Bergen war aber das Wetter für die nächsten Tage gut gemeldet.
Wir entschlossen uns, einen kleinen Teil von Bergen anzuschauen und dann nachmittags zu klettern. Aber dieses Vorhaben endete zu unserem Entsetzen abrupt. Noch bei Sonnenschein bestellten wir uns einen Burger inmitten der bunten Häuser von Bryggen. Bevor wir fertig gegessen hatten, überraschte uns eine Front und es regnete in Strömen. Unter einem Vordach assen wir unseren Burger fertig, dann rannten wir durch den Regen zu usnerem Bus und berieten uns dort, was wir nun tun sollten. Wir wünschten uns, einfach die richtige Entscheidung zu treffen, um ein paar Tage trockenes Wetter zu haben.
Aber es wurde nicht besser. Wir fuhren zum Sorfjorden und mussten wieder einen Tag im Bus ausharren. Zwischendurch verliess Marc unsere Luxuxsuite mit Regenbekleidung und fischte. Aber vergebens. Schlechtes Wetter und keinen Fisch. Langsam drückte das Wetter auch etwas auf unsere Stimmung. Wir hielten uns aber immer wieder an den einzelnen Sonnentagen fest. Und! - zum Glück war auch wieder einer in Aussicht. An diesem Morgen war es zwar noch wolkenverhangen, aber wir liefen trotzdem los. Marc wollte es sich trotz seines Knies nicht entgehen lassen, mindesten auf einem Berggipfel in Norwegen zu stehen. Die Wanderung auf den „Tokheimsnuten“ war eine gute Entschädigung, für das, was wir die letzten Tage im Bus ausgehalten hatten. Eine wunderschöne Gegend, sogar streiften wir noch einen Gletscher und wir begegneten kaum jemanden. Aber der Aufstieg war lang. 1300 Höhenmeter. Ich fragte mich, wie Marc diese mit seinem Knie wieder absteigen wird. Er kämpfte sich durch. Er meinte, es habe sich gelohnt. Aber er litt.
Dann reisten wir weiter ins Setesdal und wollten dort noch einen Tag klettern. Aber nach zwei Routen fing es an zu regnen. Kurzerhand entschieden wir uns, noch an die Ostküste zu fahren und dort hatten wir zum Abschluss doch noch Glück. Die letzten zwei Tage, bevor wir in Kristiansand die Rückreise antraten und auf die Fähre gingen, herrschte schönes und warmes Wetter. Wir genossen die Sonne, das Meer und die schöne Gegend. Und dann neigten sich die sechs Wochen dem Ende zu.
Heimfahrt und Diagnose
Auf der Heimfahrt verbrachten wir noch eine Nacht in Lokken (Dänemark) und in Deutschland machten wir Halt in der fränkischen Schweiz. Doch dann zog es uns nach Hause. Gleichzeitig fühlte sich die Hektik des Alltags schon in Deutschland wie ein Schlag ins Gesicht an. Und nicht weniger hart traf Marc den Schlag seiner schiesslichen Diagnose. Er hatte den Innenmeniskus komplett gerissen und musste sich operieren lassen. Er erholte sich gut. Allerdings lehnte die Unfallversicherung "Visana" den Unfall ab. Trotz Arztbericht, der besätigte, dass es sich bei einem Meniskusriss mit Bänderzerrung um einen Unfall und unmöglich um eine Krankheit handeln könne, wurde der Unfall auf Krankheit abgewälzt. Selbst der Rechtsschutz konnte daran nichts ändern, ausser wir wären damit vor Gericht gegangen. Genug davon. Das war die Schattenseite unserer Reise....
Trotz Schmerzen, Einschränkungen und mehrheitlich schlechtem Wetter, schauen wir auf eine Reise mit unglaublich vielen schönen Erinnerungen und Eindrücken zurück. Wenn wir in die Bilder eintauchen, dann denken wir vor allem, an die sonnigen Tage, die unglaublich schönen Landschaften und die gefühlte Gelassenheit und Freiheit, zurück.